Timo schaut während des Unterrichts verträumt aus dem Fenster, bis ihn der Lehrer aus seinem Tagtraum holt: «Hör auf zu träumen und konzentrier dich!»
Timo braucht einen Moment, um zu sich zurückzukommen. Dieses unsanfte Aufwachen hat Stress in ihm ausgelöst.
Viele von uns kennen das. Auch ich war eine Träumerin, so wurde mir nachgesagt. Und ich verstand das Problem nie: Was ist so schlimm daran, einmal kurz abzuschweifen?
Der Begriff „Träumer“ hält sich hartnäckig unter Lehrpersonen, Chefs und Eltern. Und er ist meistens nicht positiv gemeint. Ungerechtfertigt. Ich möchte euch gerne erklären, wieso es wichtig ist, Kinder auch mal vor sich hinträumen zu lassen. Und euch Tipps geben, wie man sie sanft aus dem Tagtraum zurückholt.
Zuerst muss man wissen, dass aus dem Fenster oder einfach in die Ferne schauen ein Zeichen ist, dass das Hirn eine Pause braucht. Sie hilft dem Hirn dabei, die vielen Informationen und Reize zu verarbeiten und sich zu regulieren. Man ist tatsächlich in einer Art hypnotischem Zustand. Man spricht auch von einer Trance. Man erlebt einen Moment der inneren Ruhe und nimmt sich selbst wieder besser wahr. Auch wir Erwachsenen dürfen uns diese Pause hin und wieder gönnen. Es ist keine verschwendete Zeit, im Gegenteil: Es ist eine produktive Auszeit für unser Hirn.
Kindern, die tagträumen dürfen, fällt es leichter, Strategien und Lösungen für komplexe Probleme und Themen zu entwickeln. Ausserdem steigert es die Kreativität. Die besten Ideen kommen doch häufig dann, wenn wir nicht aktiv danach suchen, sondern die Gedanken einfach laufen lassen; zum Beispiel im Zug oder beim Autofahren, unter der Dusche oder beim Sport. Immer dann, wenn der Geist mal eine Pause kriegt.
Doch wie holt man jetzt ein Kind zurück, weil der Schulunterricht weitergehen muss oder die Eltern zu einem Termin müssen und ohnehin schon spät dran sind?
Setzt euch vor das Kind und haltet Augenkontakt. Berührt das Kind sanft und spricht mit leiser, geduldiger Stimme. Ohne Augen- und Körperkontakt nimmt das Kind euch nicht wahr, weil es sich nicht angesprochen fühlt. Ihr wisst ja auch nicht, dass ihr gemeint seid, wenn jemand hinter euch steht und laut ruft: “Hey du!“
Wir sollten alle wieder mehr tagträumen und es uns und unseren Kindern ganz bewusst erlauben.
Es hilft, mit der Wirklichkeit besser zurechtzukommen.